50JahreStSebastian

Seit 1. Dezember 1945 ist dort auch eine Wärmestube eingerich– tet worden. Sie wurde täglich von 1-5 Uhr nachmittags offen– gehalten. Von etwa 2 000 Kleidungsstücken bzw. Wäsche, die für ehema– lige KZ-Häftlinge und beim Martinsopfer eingingen, haben wir etwa 1800 Stück an den Caritasverband abgeliefert, wo täglich Hunderte von heimkehrenden Soldaten Schlange stehen. Unge– fähr 200 Kleidungs- und Wäschestücke wurden in der Pfarrei verteilt. Durch eine besondere Vergünstigung war es möglich, eine Holz– aktion durchzuführen. Hilfsbereite Männer und Frauen fällten das Holz, ja, brachten es auch noch selbst zum Schneiden in die Säge, so daß etwa 600 Rahmen geschnittenes und gespaltenes Holz im Schmuckhof des pfarrhausesverteilt werden konnten. Die erste Nachkriegsweihnacht wurde unter Großeinsatz des Pfarrmesners und der Pfarrjugend, die sich allmählich wieder zu sammeln begann, in der Ruine gefeiert. Christbäume wurden auf– gerichtet, die Madonna auf einen aus einem verkleideten Koch– topf bestehenden Sockel gestellt, Kabel für viele kleine Glüh– birnen im feuchten Raum verlegt. Selbst den First des offenen Presbyteriums zierten Christbäume und ein leuchtender Stern: Mit seinem bescheidenen Glöcklein rief der verwaiste Kirchturm die Pfarrkinder zur Christmette. Der Hochaltar stand im Glanze vieler Wachskerzen und der Lichterbäume. Das Harmonium war für den Kirchenchor im Priesterraum auf– gestellt. Die Memoehen strömten und strömten, alt und jung, Kinder und Greise kamen zur Christmette, ganz wie einst. Die Ruine konnte die vielen Beter kaum fassen, sie standen auf dem angeschlagenen Pflasterboden oder im feuchten Sand, manche knieten auf den zerbrochenen, kalten Stufen der Kommunion– bank, andere setzten sich auf die Mauerreste und aufgeschlichte– ten Steine. Sie alle wurden umrahmt von den dunklen Silhouet– ten einer Ruine ... Vorne zelebrierte H. Herr Geist!. Rat im Lichterglanze die Weihnachtsmesse. Jubelnd drang das Gloria in excelsis Deo der Pastoralmesse zum nächtlichen Sternenhimmel empor ... Soweit der Chronist. Auch die Jahresschlußfeier wurde noch in der Ruine gewagt. Weitere "Freiluftgottesdienste" konnten erst wieder im Frühjahr 1946 aufgenommen werden. Das Jahr 1946 begann mit einem neuen Pfarrblatt, den "Kirch– turmsgrüßen" , in einer Auflage von 800 Stück im Handbetrieb hergestellt und nach den Gottesdiensten verteilt. 9 Monate hin– durch konnte das Blatt in zwangloser Folge erscheinen, bis es im September wegen Materialmangels eingestellt werden mußte. Hauptsorge im Jahr 1946 aber war und blieb die Wiedererrich– tung der Kirche: Zu Beginn des Jahres war man bei der Debatte um die Errichnmg bei einer Baracke im Pfarrgarten angelangt, weil für eine solche Lösung von der obersten Baubehörde Förderung und Material in Stadtpfarrer GR Otto Breiter in seinen letzten Lebensjahren: Er starb nach kurzer schwerer Krankheit am 20. März 1954. Aussicht gestellt worden war. Als aber nach 5 Monaten diese Pläne baupolizeilich genehmigt waren, stellte es sich heraus, daß keinerlei Zuteilungen des notwendigen Bauholzes erwartet wer– den konnten. Zuletzt gelang es aber nach vielem Kopfzerbrechen im Frühsommer 1946 doch, aus zusätzlichem Einschlag von kircheneigenen Wäldern ein Holzkontingent zu beschaffen, das für einen Dachstuhl über der Kirchenruine ausreichte. Freilich zog sich die ganze Aktion, wie in dieser schweren Zeit jegliches Unternehmen, monatelang hin und erlitt alle erdenk– lichen Verzögerungen, so daß die ersten bearbeiteten Hölzer erst gegen Ende November in München eintrafen und erst im Jahre 1947 ihrer Bestimmung zugeführt werden konnten. Mühsamer Wiederaufbau Unterdessen hatte die Bauleitung der katholischen Gesamtkir– chengemeindeverwaltung den Barackenbauplan fallen lassen und den Vorschlag gemacht, doch wenigstens das Mittelschiff der Kirche wieder zu überdachen, wenn auch nicht in der alten Mauerhöhe. Man erwog dabei, die Fenstereinteilung und die Dachkonstruktion so zu halten, daß das Dach in allenfalls besse– ren Zeiten bis zur alten Höhe von 14,5 m gehoben und unter– mauert werden könnte. Zum Glück stellte es sich heraus, daß die 19

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